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Neues Einsatzfahrzeug zum 20. Geburtstag

Wiehl – Seit mittlerweile 20 Jahren ist die Notfallseelsorge Oberberg als Unterstützer für Menschen in Krisensituationen tätig – Anlässlich des Geburtstages gab es auch ein neues Fahrzeug.

Foto: Julian Heppe

Gründe zum Feiern hatte die Notfallseelsorge Oberberg heute Nachmittag in Wiehl Marienhagen. Man zelebrierte das 20-jährige Bestehen des ökumenischen Dienstes. Als gemeinsames Angebot der katholischen und evangelischen Kirche im Oberbergischen Kreis betreuen die Mitarbeiter der Notfallseelsorge unter anderem Sterbende, Suizidgefährdete oder Angehörige von Unfallopfern. Als direkte Unterstützung der Feuerwehr, der Polizei und des Rettungsdienstes gehen die Einsätze nicht selten auch über die Grenzen des Oberbergischen Kreises hinaus.

So war die Notfallseelsorge im vergangenen Jahr unter anderem in Erftstadt in der Eifel tätig, wo Menschen durch die Flutkatastrophe ihr Zuhause verloren. „Dieses Ereignis forderte rund 500 Arbeitsstunden, die zum Großteil ehrenamtlich übernommen wurden“, berichtete Koordinatorin Sigrid Marx die Arbeit der insgesamt 45 Notfallseelsorger, von denen 37 ehrenamtlich arbeiten. „Seit mittlerweile 20 Jahren sind wir da, wenn Menschen besonders schutzbedürftig sind. Dafür setzen wir auf eine gut fundierte Ausbildung, die sich über mehrere Wochen und insgesamt etwa 80 Stunden erstreckt“, so Marx. Finanziell ermöglicht wird diese Ausbildung einerseits von der evangelischen und katholischen Kirche und andererseits von den Spenden des Fördervereins. 

Vieles habe sich seit der Gründung vor 20 Jahren geändert, meinte auch Marc Platten, Vorsitzender des Fördervereins. So gibt es mit Sigrid Marx seit Juli 2021 erstmals eine Koordinatorin, die bei beiden Kirchen angestellt ist. Zusätzlich bietet die Notfallseelsorge inzwischen eine muslimische Notfallbetreuung an. Nicht zuletzt zeigte sich bei den zahlreichen Einsätzen im vergangenen Jahr aber auch, dass das in die Jahre gekommene Einsatzfahrzeug einen Nachfolger benötigt.

So wurde im Zuge der Geburtstagsfeier das neue Fahrzeug der Notfallseelsorge in Betrieb genommen. Insgesamt 34.000 Euro wurden hierfür investiert, jeweils 2.000 Euro davon steuerten die insgesamt 13 Kommunen des Oberbergischen Kreises bei. „Die Notfallseelsorge ist ein ganz besonderes Ehrenamt und erfordert ein hohes Maß an Professionalität. Für uns war es daher selbstverständlich, diese Arbeit auch zu unterstützen“, erklärte Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker.

Aus: Oberberg Aktuell vom 14.05.2022 (von Julian Heppe)

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Mit Blaulicht und zwei Sofakissen  

Notfallseelsorge hat sich zum 20. Geburtstag neues Einsatzauto geschenkt
Foto: Dierke (ds_Siegbert Dierke Fotografie)

Marienhagen. Das neue Fahrzeug der Notfallseelsorge hat Blaulicht, eine passende Beklebung – doch die vielleicht wichtigste Ausstattung sind die beiden Sofakissen auf der Rückbank. „Sie sollen Geborgenheit geben, an ihnen können sich die oft unter Schock stehenden Menschen festhalten“, sagt Koordinatorin Sigrid Marx: Denn der Ford Transit sei vor allem ein mobiler Rückzugsraum für die stets schwierigen Gespräche. Am Samstag ist der Wagen bei der Feier zum 20- Jährigen der Notfallseelsorge Oberberg in Dienst gestellt worden.

Im evangelischen Gemeindehaus in Wiehl-Marienhagen begrüßten Marx und Pfarrer Marc Platten, Vorsitzender des Fördervereins, knapp 50 Gäste aus Feuerwehr, Polizei, den Kommunen und den beiden großen Kirchen, die den Dienst tragen. Superintendent Michael Braun vom evangelischen Kírchenkreises An der Agger und Kreisdechant Christoph Bersch von der katholischen Kirche segneten das neue Einsatzauto. Es ersetzt den alten VW T4 Bulli, mit dem die Notfallseelsorger noch im vergangenen Sommer regelmäßig ins Flutgebiet gefahren waren. Der Neue ist ein Gebrauchtwagen mit abgedunkelten Scheiben, Tisch und gegenüberliegenden Sitzbänken. Der Wagen soll künftig etwa mit zu schweren Verkehrsunfällen ausrücken, um traumatisierte Personen in geschützter Atmosphäre seelsorgerisch betreuen zu können. 34 000 Euro hat der Ford gekostet, von denen 28 000 Euro der Kreis und die 13 Kommunen zu gleichen Teilen finanzierten. Das restliche Geld stammt aus dem Verkauf des T4. Während der Feierstunde blickte Marx, seit Juli Koordinatorin, auf die Anfange der Notfallseelsorge zurück: Als 1993 bei einem Hausbrand in Hülsenbusch drei Kinder starben, habe die Rettungsleitstelle zunächst Probleme gehabt, einen Seelsorger zu finden. Schließlich eilte Pfarrer Gisbert von Spankeren zur Hilfe – der nach diesem Unglück die Ausbildung zum Notfallseelsorger durchlief und den Dienst im Kreis mit aufbaute. Im Jahr 2002 nahm die Notfallseelsorge den Betrieb auf.

Von den mittlerweile 45 speziell ausgebildeten Notfallseelsorgern arbeiten 37 ehrenamtlich. Ein Aspekt, den Wiehls Bürgermeister Ulrich Stücker, der das Grußwort im Namen aller Rathauschefs sprach, hervorhob: „Gerade dieses sehr fordernde und belastende Ehrenamt ist alles andere als selbstverständlich.“

Kreisdirektor Klaus Grootens nannte es einen Segen, dass es die Notfallseelsorge gibt: „Wenn Eltern, Angehörige, Kinder und Jugendliche in psychische Ausnahmesituationen sind, das Erlebte kaum ertragen können, leisten sie qualifizierte Hilfe.“

Artikel aus der Kölnischen Rundschau vom 16.05.2022 (von Arnd Gaudich)

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Zum Jubiläum

Interview mit Sigrid Marx
Sigrid Marx leitet die Ökumenische Notfallseelsorge Oberberg

Auf Distanz Nähe zeigen

(Thomas Giesen)

Sie haben im Sommer 2021 Ihre Stelle als Koordinatorin der Ökumenischen Notfallseelsorge Oberberg angetreten. Zuvor haben Sie sich bereits ehrenamtlich als Seelsorge-Fachberaterin bei der Feuerwehr engagiert. Welcher Einsatz ist Ihnen aus dieser Zeit besonders im Gedächtnis geblieben?

Das war ein Einsatz, zu dem ich außerplanmäßig von der Feuerwehr gerufen wurde. Dabei ging es um den Suizid eines jungen Mannes, und vor Ort musste ich feststellen, dass es sich um den Bruder einer Freundin handelte. Wenn persönliche Gefühle im Spiel sind, lässt ein Seelsorger normalerweise die Finger von solch einem Einsatz. Aber dank meiner früheren Ausbildung zur Fachschwester für Intensivpflege und Anästhesie habe ich gelernt, für mich selber Grenzen zu ziehen und eine entsprechende Distanz zu wahren. Aber solch ein Einsatz bleibt dann im Gedächtnis hängen.

Sie sind 2019 ins Oberbergische gezogen, um als Diakonin in der evangelischen Kirchengemeinde Hülsenbusch-Kotthausen zu arbeiten. Haben Sie sieh gut eingelebt?

Mich im Oberbergischen heimisch zu fühlen, war nicht schwer für mich. Meine Mutter kommt aus dem Siegerland, ein Cousin lebt in Gummersbach. Oberberg war daher nicht fremd für mich. In meine Stelle als Koordinatorin habe ich mich mittlerweile eingelebt, auch wenn der Start etwas holprig war. Ich wurde sehr gut von meinem Vorgänger Pfarrer Gisbert van Spankeren eingearbeitet, aber zwei Wochen nach meinem ersten Arbeitstag kam die Hochwasserkatastrophe, und unser Team war sowohl in Erftstadt als auch in Kall in der Eifel im Einsatz. Per Bus ging es morgens hin und abends wieder zurück. Ich kannte zu dem Zeitpunkt noch nicht alle Teammitglieder, dennoch musste die Zusammenarbeit funktionieren. Ich bin sehr stolz, dass das auf Anhieb geklappt hat. Es war ein stressiger, aber durchaus sehr erfolgreicher Einstieg in meine Stelle.

Warum haben Sie sich entschieden, Notfallseelsorgerin bzw. Seelsorge-Fachberaterin zu werden?

Ich glaube, weil ich mich dazu auch ein Stück berufen fühle. Mir wurde schon früher gesagt, ich könne gut zuhören. Damit kann ich den Menschen in gewissen Situationen helfen. Ich habe in Remscheid vor zwölf Jahren die Diakonenausbildung absolviert. Darin inbegriffen ist auch eine Seelsorgeausbildung. Um als Notfallseelsorgerin arbeiten zu können, bedarf es einer eigenen zusätzlichen Ausbildung.

Was braucht es, um ein Notfallseelsorger zu werden? Was sagen Sie Neulingen?

Voraussetzung ist zunächst einmal, dass das 27. Lebensjahr vollendet wurde, dann kann von einer gewissen Reife und Lebenserfahrung ausgegangen werden. Zudem muss eine Mitgliedschaft in einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen bestehen. Wichtig ist, dass die Bewerber physisch und psychisch stabil sind. Ihnen muss bewusst sein, dass sie zu einem Einsatz gerufen werden, weil gerade eine Person verstorben ist, sei es durch einen Unfall, durch einen Suizid, einen plötzlichen Kindstod oder ein plötzlicher Tod im häuslichen Bereich. Es kann sein, dass die zu betreuende Person, in den meisten Fällen ein Verwandter, sich von dem Toten verabschieden möchte und wir den Angehörigen dabei begleiten. Das ist unsere Aufgabe und dazu müssen wir auch bereit sein. Ein Notfallseelsorger muss sich auf verschiedene Situationen einstellen können und empathisch sein. Wichtig ist, dennoch eine gewisse Distanz zu wahren, um das Erlebte nicht mit nach Hause zu nehmen. Auf Distanz Nähe zu zeigen, das lernen zukünftige Notfallseelsorger in unseren Lehrgängen.

Wann wird ein Notfallseelsorger hinzugezogen? Sind es auch einmal die Einsatzkräfte, die einen Notfallseelsorger benötigen?

Wir werden durch die Leitstelle alarmiert, wenn eine Person verstorben ist. Wenn bei einem tödlichen Unfall oder Suizid weitere Zeugen vor Ort sind oder bereits die Familie dort eingetroffen ist, fahren wir direkt zur Unfallstelle. Wir werden auch hinzugezogen, wenn die Angehörigen Zeuge einer Reanimation geworden sind, beispielsweise bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall und der Patient vor Ort noch verstirbt. Wir begleiten aber auch die Polizeibeamten, die eine Todesnachricht überbringen müssen, um uns dann um die Verwandten zu kümmern. Zu unserem Team gehören auch vier Notfallbegleiter muslimischen Glaubens. Für die Einsatzkräfte selbst gibt es eigene, interne Seelsorger.

Wie verläuft eine Alarmierung?

Jeder Notfallseelsorger hat eine App auf dem Handy. Wird Unterstützung benötigt, alarmiert die Leitstelle nacheinander diejenigen Notfallseelsorger, die für das betroffene Gebiet zur Verfügung stehen. In der Regel sind das rund zehn Teammitglieder. Wird der Einsatz durch den ersten Kontakt abgelehnt oder ist er nicht erreichbar, wird der zweite auf der Liste informiert, solange bis einer den Einsatz übernimmt. Steht gerade keiner von der Kontaktliste zur Verfügung, landet der Einsatz bei mir, ich alarmiere dann telefonisch nach oder fahre den Einsatz selber.

Wie verläuft so ein Einsatz?

Unsere Aufgabe ist es, die Person aus der Passivität wieder in die Aktivität zu bringen. Das heißt, wenn die Person aufgrund der Nachricht in eine Art Schockzustand verfällt, ist es an uns, diese Starre wieder zu lösen, indem wir sie animieren, aktiv zu handeln. Das fangt beim Kaffeekochen an. Es gilt Telefonate zu führen, um Angehörige oder Freunde zu informieren. Aber die Person muss es selbst machen. Wir signalisieren der Person: „Ich habe Zeit und bin für Sie da.“ Wir hören zu, wenn Redebedarf besteht. Wir nennen es aktives Zuhören, denn wir müssen zwischen den Zeilen lesen, um zu verstehen, was der Betroffene tatsächlich braucht. Es kann aber auch passieren, dass man einfach nur nebeneinander sitzt und schweigt. Schweigen auszuhalten, ist nicht einfach, aber auch das gehört dazu.

Gibt es nach Einsätzen für die Teammitglieder eine Art Nachbesprechung?

Es ist wichtig, diese Gespräche zu führen. Als Koordinatorin ist es meine Aufgabe, dass die Teammitglieder keinen Schaden nehmen. Ein plötzlicher Kindstod oder ein Suizid sind immer Einsätze, die an die Nieren gehen. Aus diesem Grund finden im Normalfall regelmäßig Supervisionstreffen statt. Es sind rund 40 Ehrenamtliche für die Ökumenische Notfallseelsorge tätig. Während der Corona-Pandemie waren die großen Treffen nicht möglich, aber ich halte immer Kontakt mit allen Teammitgliedern und frage nach, ob es nach einem Einsatz Redebedarf gibt, ob in einer kleinen Gruppe oder einzeln. Ich bin rund um die Uhr erreichbar, und das wissen die Ehrenamtlichen aus unserem Team auch.

Notfallseelsorge

Vor 20 Jahren wurde die Notfallseelsorge Oberberg gegründet. Schon damals arbeiteten die evangelische und die katholische Kirche mit jeweils einem Koordinator Hand in Hand. Vor knapp einem Jahr, die beiden bisherigen Koordinatoren waren in den Ruhestand gegangen, wurde im Zuge einer Strukturreform eine halbe Ökumenische Stelle geschaffen, die durch den Evangelischen Kirchenkreis An der Agger und das Katholische Kreisdekanat Oberberg finanziert wird. Heute ist die Notfallseelsorge ein multikonfessionelles und -religiöses Team von Ehrenamtlichen. (bs)

Das 20-jährige Bestehen der Notfallseelsorge im Oberbergischen Kreis wird am Samstag in Wiehl-Marienhagen gefeiert. Beatrix Schmittgen hat mit der Koordinatorin Sigrid Marx (56) über ihre Arbeit gesprochen. Abgedruckt in der Kölnischen Rundschau am 12.05.2022 (Oberbergischer Teil).

Foto: Giesen